Vom Regen in die Traufe - Wie deutscher Bürokratismus die Gesundheit gefährdet

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Vorletztes Wochenende sah es noch danach aus, dass es eine Entscheidung über die Einbindung der Hausärzte in den Impfplan gäbe. Dann die überraschende Nachricht: Die Impfung mit AstraZeneca wurde vorläufig ausgesetzt. Grund dafür war, dass es bei Impflingen zu thromboembolischen Ereignissen kam (Verstopfen von Adern in Beinen, Lunge und Hirn), welche in einem direkten zeitlichen Zusammenhang mit der Impfung standen. Man wollte die Vorfälle überprüfen, um sicherzugehen, dass diese Vorfälle nicht durch den Impfstoff verursacht wurden. Die eigentlich für Mittwoch, den 17. März, angesetzte Konferenz, zur Einbindung der Hausärzte in den Impfprozess, wurde bis auf Weiteres abgesagt.

Am vergangenen Donnerstag vermeldete die Europäische Arzneimittelagentur (EMA), dass AstraZeneca, nach einer erneuten Einschätzung, weiterhin bedenkenfrei gespritzt werden könne. Schließlich gab die Bundesregierung bekannt, dass die deutschen Hausärzte nach Ostern schrittweise in die Impfstrategie Deutschlands eingebunden werden sollen. Fraglich ist jedoch, wie schnell diese Einbindung geschehen kann, denn es herrscht weiterhin ein chronischer Impfstoffmangel. Die Bundesregierung wirkt in diesen Tagen wenig souverän und das spiegelt sich auch in Umfragewerten wider. Eine ARD-Umfrage von infratest dimap zeigt, dass die Zufriedenheit der Bevölkerung mit der Arbeit der Bundesregierung auf einen neuen Tiefstwert seit Beginn der Pandemie gefallen ist. Auch die Ergebnisse der Landtagswahlen zeigen den Unmut der Bevölkerung: In Baden-Württemberg verlieren CDU/CSU 2,9 Prozent, in Rheinland-Pfalz sogar 4,1 Prozent.

Ein Schuldiger für das langsame Vorankommen der Impfkampagne ist, neben dem Impfstoffmangel, schnell gefunden: die deutsche Bürokratie. Nicht ohne Grund wird Deutschland als „Paragraphendschungel“ bezeichnet. Verschiedenste kredible Medienanstalten wie der BR, der MDR, die Tagesschau, die Ärzte Zeitung und der Tagesspiegel (nur um einige zu nennen) fordern ein Ende der Bürokratie und ein schnelleres Vorankommen der Impfungen. Dieser Meinung ist auch die deutsche Bevölkerung, wie die ARD-Umfrage zeigt: 73 Prozent der Befragten gaben an, wenig bis gar nicht zufrieden mit der Organisation der Corona-Impfungen zu sein. Das Gleiche gilt für die Beschaffung des Impfstoffes.

 

Solidarität mit EU-Mitgliedsstaaten ist gut, aber alle Mitgliedsstaaten leiden darunter

Schon frühzeitig, im August 2020, entschied sich die deutsche Regierung, nicht auf eine eigene Impfstoffbeschaffung zu setzen. Stattdessen trat man einem EU-Abkommen bei, nach welchem die Europäische Union den Impfstoff für alle 27 Mitgliedstaaten erwirbt und gerecht verteilt. Aus einer Mitteilung der Kommission an den Europäischen Rat zitiert das Ärzteblatt: „Gemeinsam sei man besser gegen ein Scheitern abgesichert und könne durch die Streuung von Risiken sowie die Bündelung von Investitionen Vorteile erzielen.“

Nun muss man die Frage stellen, ob man dabei die falsche Strategie gewählt hat. Auf Impfdashboard.de, einer Seite der Initiative „Zusammen gegen Corona“ ist zu lesen, dass bislang knapp drei Millionen Menschen zwei Impfungen gegen COVID-19 erhalten haben. Dies entspricht etwa 3,5 Prozent der deutschen Bevölkerung. Insgesamt 6,7 Millionen Menschen erhielten mindestens eine Dosis. Selbst mit Rücksicht auf den Impfstoffmangel sind diese Zahlen ungenügend. Israel hat bereits die gesamte Bevölkerung mindestens einmal geimpft. Das sind immerhin über neun Millionen Menschen. Im weltweiten Vergleich der Impfquoten befindet sich Deutschland nicht einmal unter den 20 besten Nationen, obwohl Deutschland zwei der wichtigsten Impfstoffe (CureVac & BioNTech/Pfizer) teils oder vollständig selbst produziert. Erschreckend ist, dass nur Malta, das kleinste EU-Mitglied, unter den besten 10 Ländern zu finden ist. Mit einer Impfquote von gerade einmal 22,48 Prozent. Dies kann man Tabellen von ourworldindata.org entnehmen, welche von der Ärzte Zeitung veröffentlicht wurden. Recherchiert man im Internet nach den Impfstrategien anderer Länder, fällt auf, dass viele Nationen sich für ein liberaleres Impfangebot entschlossen haben. In den USA kann man sich beispielsweise in den Apotheken des Einzelhandels-Giganten Walmart und den Großapotheken von CVS und Walgreens impfen lassen, so die Pharmazeutische Zeitung. So konnten in den Vereinigten Staaten bereits über 125 Millionen Menschen mindestens einmal geimpft werden.

Auch sind die Vergleiche der Bundesregierung mit anderen Nationen fragwürdig. In der NDR Talkshow vom 12.03. berichtet Intensivmediziner und ehemaliger Vorsitzender von „Ärzte ohne Grenzen“ Dr. Tankred Stöbe von einer Studie, nach welcher in 2020 etwa 300.000 Lebensjahre in Deutschland durch Corona verloren gingen. Seine Meinung ist eindeutig (hier im Wortlaut):

„(…) also das hat mich heute Morgen wieder, (…) als vom deutschen Gesundheitsminister gesagt wurde 'Deutschland macht es relativ gut.'… Ich glaube, diese Floskel sollten wir uns in Deutschland wirklich komplett streichen: In Deutschland machen wir es nicht gut. Und dieses Gucken auf schlechtere Länder und sich deshalb gut fühlen… das hat schon was Zynisches. (…) Mit jeder Welle gehen uns die Alibis aus und was jetzt auf uns zukommt, das ist einfach politisch zu verantworten. (…) Wir müssten es besser können.“

 

AstraZeneca als Beispiel einer übermäßigen Bürokratisierung des Impfprozesses

Stellvertretend für den gesamten Impfprozess lässt sich das Geschehen der letzten Woche heranziehen. Aus dem Bericht der Ärzte Zeitung, welche sich auf Daten des Robert Koch-Instituts bezieht, geht hervor, dass, zum Zeitpunkt des AstraZeneca-Stopps, bereits 1,75 Millionen Menschen mit AstraZeneca geimpft worden waren. Wie das ZDF berichtete, waren insgesamt sieben Fälle bekannt geworden, in welchen Menschen eine Hirnvenenthrombose erlitten, kurz nachdem sie mit AstraZeneca geimpft worden waren. Dies entspricht einem prozentualen Anteil der Geimpften von 0,0004 Prozent.

Auch im Vergleich zu allgemeinen Zahlen der jährlichen Thrombosefälle ist diese Zahl verschwindend gering: Laut Angaben des Vereins „Deutsche Gefäßliga e.V.“ erkranken von 83 Millionen Deutschen durchschnittlich 100.000 pro Jahr an einer Venenthrombose. Ein Anteil von 0,12084 Prozent.

Dabei ist der Anteil der Sinusvenenthrombosen (spezielle Thrombose einer Hirnvene) nochmal geringer. Drei bis fünf Einwohner pro Millionen erkranken jährlich daran. Hochgerechnet auf die Bevölkerung entspricht dies am unteren Wert 249, am oberen Wert 415 Menschen pro Jahr. Mit AstraZeneca wird seit Ende Januar geimpft. Also erkrankten in 1,5 Monaten sieben Menschen an dieser Krankheit. Das entspricht absoluten Durchschnittszahlen.

Selbstverständlich ist es nötig die Vorfälle zu überprüfen und den Impfstoff gegebenenfalls neu einzuschätzen, doch war es anhand der vorliegenden Zahlen fragwürdig, ob aus diesem Grund gleich die gesamte Impfung gestoppt werden musste. Der Spiegel hatte indes die Frage gestellt, ob es sinnvoll wäre, Thrombosefälle zu verhindern und dafür weitere Corona-Tote zu riskieren. Dies deckt sich auch mit den Aussagen anderer Experten. Das ZDF und weitere Medienanstalten zitieren eine Stellungnahme des Weltärztepräsidenten Montgomery. Dieser sagt:
„Dass Menschen Thrombosen und Lungenembolien bekommen, muss nicht unbedingt etwas mit der Impfung zu tun haben“. Weiter sagt er, dass die Zahlen in den Placebo-Gruppen der Ihm bekannten Studien, im Vergleich zu der wirklich geimpften Gruppe, in etwa gleich gewesen wären. Er sagt „Trotzdem ist es richtig, dass die nationalen Behörden die Verdachtsfälle auf schwere Nebenwirkungen prüfen."

Wie das ZDF berichtet, hatte die Europäische Arzneimittelbehörde (EMA) sich gegen einen Impfstopp von AstraZeneca ausgesprochen. Der Behörde waren in ganz Europa 30 Fälle der Sinusvenenthrombose bei 5 Millionen Geimpften bekannt. Die Zahl dieser Vorfälle „bei geimpften Menschen ist nicht höher als die Zahl in der Gesamtbevölkerung“, ließen Sprecher verlauten.

Glücklicherweise kam es nur zu einem Stopp von drei Tagen, doch auch wenn die Bevölkerung eine Aussetzung der Impfung mit AstraZeneca befürwortete, litt die Meinung zur Leistung der Regierung weiter. Leider machen auch andere aktuelle Vorfälle stutzig und zeugen von einem überbordenden Bürokratismus und dadurch entstehnder Ungerechtigkeit.

Eine Grundschule der Stadt Detmold hatte von der Stadt zwei Luftfilteranlagen erhalten. Diese waren allerdings nicht ausreichend, da es zwölf Klassen zu schützen galt. Obwohl die Schule in der Lage wäre, sich die fehlenden Anlagen eigenständig zu beschaffen, wurde dies vom Schulträger untersagt. Als Grund hierfür werden Haftungsgründe bei privaten Geräten angegeben. Zur gleichen Zeit wurden allerdings 41 Luftfilteranlagen im Düsseldorfter Landtag installiert. Über die Unverhältnismäßigkeit dieser Vorkommnisse berichtete Extra 3 am 04.03.21. 

Fazit - Sehr viel Bürokratie, aber keine klare Linie

Das Verhalten in Bezug auf AstraZeneca ist nur eines von vielen Beispielen, die zeigen, wie unorganisiert die Bundesregierung wirkt. Es fehlt eine klare Linie. Durch Ihre Sprunghaftigkeit in Bezug auf die Verordnungen und Beschränkungen, strahlt die Bundesregierung Unsicherheit aus und dies überträgt sich auf die Bevölkerung. Einzig Markus Söder scheint in diesen Zeiten souverän, was sich auch in seinen Beliebtheitswerten der ARD-Umfrage zeigt. Nach Angela Merkel ist er derzeit Deutschlands beliebtester Politiker.

Die Bevölkerung zeigt generellen Unmut gegenüber den andauernden Beschränkungen. Dadurch entsteht ein Konflikt für die Bundesregierung: Soll sie den Experten vertrauen und so die Bevölkerung schützen oder soll sie lockern, um keine Wählerstimmen zu verlieren? Ein Tanz auf Messers Schneide.

Ein Experte des Robert Koch-Instituts, Dirk Brockmann, sieht die Gefahr, dass wir mit den Lockerungen der Verordnungen zu einem exponentiellen Wachstum der Inzidenz beitragen könnten. Dies berichtet die Tagesschau. Wie die Zeit schreibt, ist der Grund hierfür vor allem die Mutante B.1.1.7 aus Großbritannien. Aktuell liegt deren Anteil bei etwa 6 Prozent, wird aber ansteigen. B.1.1.7 gilt als ansteckendere Variante von Covid-19. Je größer der Anteil der Mutante unter den Infizierten, desto schneller die Verbreitung des Virus.

Letztlich bleibt Folgendes zu sagen: Wie in den USA, wird der Umgang mit der Pandemie wahrscheinlich wahlentscheidend sein. Jene Politiker, welche Souveränität ausstrahlen, ohne das deutsche Volk zu bevormunden, werden am Ende bessere Chancen auf einen Wahlsieg haben. Somit ist eine gradlinige und nachvollziehbare Corona-Politik sowohl im Sinne der Bevölkerung, als auch im Sinne der Parteien selbst. Schaut man auf die aktuellen Stimmungsbarometer, Umfragen sowie die letzten Wahlergebnisse, wird es bei der Bundestagswahl wohl zu einem deutlichen Umschwung in der Politik kommen. Dies ist keine politische Stellungnahme, sondern eine Analyse der aktuellen Nachrichten.

Angesichts der offensichtlichen Wirkungslosigkeit der europäischen Strategie, wäre zu überlegen, sich auch aus dem Abkommen zurückzuziehen, um so dem eigenen Gesundheitssystem ausreichend Ressourcen zukommen lassen zu können. Deutschland hat ein gutes Gesundheitssystem, auf welches es berechtigterweise stolz sein kann. Es wäre gut, wenn wir es auch vollumfänglich einsetzen könnten.

UPDATE vom 25.03.2021:

Ein weiteres aktuelles Bilderbuch-Beispiel der aufgezeigten Problematik, rund um Sprunghaftigkeit und Bürokratie, stellen die jüngsten Entwicklungen im Rahmen der "Corona-Osterruhe" dar. Die Bundesregierung beschließt erst, Gründonnerstag und Karsamstag zu "Ruhetagen" zu machen und wie Sonn- und Feiertage zu behandeln. Nach Kritik an diesen Beschlüssen dauert es keine 2 Tage, bis die Kanzlerin den Entscheid wieder stoppt. Begründung: Es würden zu viele Folgeprobleme entstehen. Aufwand und Nutzen stünden in keinem guten Verhältnis.